Abwechslung garantiert!
Jenseits der Fünfzig haben mich meine verschlungenen beruflichen Pfade in eine kleine, unabhängige Buchhandlung im Bergischen Land geführt. Gut so! Was ich an meiner Arbeit am meisten liebe: Jeder Tag bringt etwas Neues, besonders für mich als Quereinsteigerin.
1. Bücher, Bücher und noch mehr Bücher
Seit meiner Verwandlung von einer Buchhandlungskundin zur Mitarbeiterin lese ich anders, mehr und vielfältiger. Für Lesestoff ist stets gesorgt, denn viele Verlage versenden Leseexemplare oder stellen ihre Neuerscheinungen bei Netgalley digital zur Verfügung.
Als Lesen „nur“ ein Hobby war, bewegte ich mich in meiner Komfortzone und setzte auf Bewährtes. Jetzt versuche ich mich an neuen Genres und unbekannten Autor:innen. Dabei entdecke ich immer wieder Titel, die mich begeistern (und die ich hier vorstelle). Mit jedem Buch, ob es mir gefällt oder nicht, erweitert sich mein Überblick über den Buchmarkt und ich entwickle die Buchhändler:innen-Superkraft „Bücher anfangen und schnell entscheiden, sie wieder wegzulegen“.
2. Gern gesehene Kund:innen
Unsere Kund:innen sind überwiegend zauberhafte Menschen. Wir sind allerdings auch ein zauberhaftes Team und ich bin sicher, dass dies eine gewisse Anziehung hervorruft. Sie bringen Leben in den Laden. Manchmal auch Schokolade, ihre Sorgen, die allerbesten Buchtipps, ihre Kinder oder Neuigkeiten aus der Nachbarschaft. Die meisten kommen wieder.
Ihre Wünsche sorgen für Abwechslung. „Wo finde ich den neuen Fitzek?“. Leichtes Spiel. Spannend wird es, wenn mehr gefragt ist als ein simpler Griff ins Regal. „Meine Freundin ist krank und ich möchte ihr ein schönes Buch schenken“. Ohne Einfühlungsvermögen (wie krank?) und Intuition (was ist schön?) wird das nichts. Am meisten liebe ich es, wenn Anfragen detektivischen Spürsinn und Rechercheskills fordern: „Das Cover ist gelb und ich glaube, es ist eine Orange darauf“ oder „Das habe ich irgendwann in den 1980er Jahren gelesen, es spielte in Indien.“ Wenn alle Kolleginnen miträtseln, führen uns oft wenige Informationsbruchstücke zum richtigen Titel.
3. Bilanz ziehen für den Buchhandlungspreis
Viele Buchhandlungen treten eher leise, bescheiden und defensiv auf gegenüber der mächtigen Konkurrenz im Netz. Das finde ich nicht angemessen, denn sie fördern Kultur, Bildung und Lebensqualität in einer Weise, die kein Internethändler bieten kann und will. Mit Autor:innenlesungen und anderen Veranstaltungen bereichern sie das kulturelle Leben vor Ort. Gemeinsam mit anderen Einzelhandelsgeschäften sorgen sie für lebendige Innenstädte. In Kooperationen mit Kitas, Schulen und Vereinen fördern sie Sprach- und Lesekompetenz. Zusammen mit Verlagen, Autor:innen, Bibliotheken und anderen Buchhandlungen setzen sie sich für literarische Vielfalt ein.
Die Bewerbung um den Deutschen Buchhandlungspreis ist jedes Jahr ein guter Anlass, diese Leistungen zu dokumentieren und damit sichtbar zu machen. Für mich eine der spannendsten Aufgaben im Buchhandlungsjahr. Wenn alles zusammengetragen und im Überblick zu sehen war, haben wir bisher jedesmal gestaunt, wie viele Projekte und Aktionen wir quasi nebenbei gestemmt haben, Ganz unabhängig davon, ob eine Buchhandlung ausgezeichnet wird oder nicht – ich finde, der Aufwand lohnt allein schon zur Evaluation und Kursbestimmung.
Was ich nicht verschweigen will
Natürlich ist meine Arbeit in der Buchhandlung nicht ständig schön und strahlend. Es gibt Routineaufgaben im Büro, die sich aber im Rahmen halten. Eine Buchhandlung lebt und will ständig aufgeräumt und mit Staubwedeln liebkost werden. Es gibt Branchen, in denen mehr verdient wird und die Arbeitszeiten im Einzelhandel sind nicht nach jedermenschs Geschmack.
Für mich überwiegen aber ganz klar Spaß, Abwechslung und das gute Gefühl, meine Zeit mit Menschen und Büchern sinnvoll zu verbringen.
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